„Wer bin ich ohne meine Dinge?“, fragt Uli Pauer in ihrer Blogparade. Ich bin ja sehr für Nachhaltigkeit und plädiere dafür, bewusst zu konsumieren. Also nicht jeden Scheiss zu kaufen, aber auch nicht komplett auf alles zu verzichten. Uli Pauer ruft dazu auf, sich mal Gedanken zu machen, wie es wäre, wenn ich nichts mehr hätte? Alles wäre weg! Und dann?
Alles weg? Freude oder Panik?
Es heißt ja so schön, dass wir alle nackt vor Gott stehen werden. Also nichts mitnehmen können, was wir im Hier und Jetzt haben. Das bedeutet für mich aber nicht, dass ich deswegen jetzt schon nackert durch die Gegend laufen muss. Ich umgebe mich gerne mit schönen Sachen und liebe qualitativ hochwertige Dinge. Sehr viel kaufe ich Secondhand und verkaufe auch ab und zu wieder Sachen, die wir nicht mehr nutzen. Vor vielen Jahren verlor eine Kollegin durch einen Wohnungsbrand ihre komplette Einrichtung und Klamotten. Ich war schockiert und konnte mir das gar nicht vorstellen. Das hat sich nicht geändert. Von heute auf morgen nichts mehr zu haben, erzeugt bei mir Panik. Anders sehe ich das, wenn ich nach und nach Dinge freiwillig weggebe und Sachen reduziere.
Welchen Einfluss haben Dinge auf meine Persönlichkeit?
Kleider machen Leute – das ist ein Spruch, den ich in meinem Umfeld als Wahrheit bestätigen kann. In meiner Jugendzeit war es extrem wichtig, die „richtigen“ Klamotten zu tragen, um dazuzugehören. Zugegebenermaßen war mein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl damals nicht besonders gut und ich habe mich diesem „Kleiderzwang“ gefügt. Auch bei Erwachsenen sehe ich im Umfeld dieses Vergleichen, wer was hat. Zum Beispiel bei Autos. Porsche oder „nur“ ein Fiat? Sehr viele Menschen identifizieren sich mit dem Bild, das sie mit ihren Dingen erzeugen.
Inzwischen habe ich eine andere Meinung über mich und dieses „muss man haben“. Meiner Meinung nach kommt es nicht unbedingt auf schicke In-Markenklamotten an, sondern wie gut und gepflegt oder auch passend zu seinem Beruf sich jemand kleidet. Mit ungewaschenen Haaren und schmutziger, zerknitterter Prada Bluse kann frau schlechter daherkommen als eine gleichaltrige, hübsch frisierte Person in sauberen, ordentlichen H&M Klamotten. Wenn ich Sachen trage, in denen ich mich wohlfühle, dann strahle ich das auch aus. Schöne Einrichtung und Accessoires machen unser Zuhause wohnlich und gemütlich. Bestimmte Elektrogeräte erleichtern uns den Alltag. Ich achte auf möglichst gute Qualität, um nur einmal zu kaufen. Das ist nachhaltiger.
Zudem definiere ich mich auch über die Leute, mit denen ich mich umgebe. Wichtiger als Dinge sind mir Menschen, die mir am Herzen liegen. Also meine Familie und Freunde. Kennst du die Frage: „Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?“ Ich würde da lieber Personen als Dinge mitnehmen, es wären aber mehr als drei. 🙂
Ein Leben ohne Dinge. Könnte ich das?
Vor Jahren wurde mir meine damals sehr wertvolle Digitalkamera geklaut. Interessanterweise habe ich den Verlust des Gerätes nicht so sehr bedauert, wie den Verlust der Bilder, die ich an diesem Abend und in den Tagen zuvor gemacht und nicht auf meinen Computer heruntergeladen hatte. Es ging also mehr um persönliche Erinnerungen. So ist es auch mit vielen Dingen, die ich mir in meinem bisherigen Leben zugelegt oder geerbt habe. Manche Sachen sind mir einfach ans Herz gewachsen und ich kann mir ein Leben ohne sie schwer vorstellen. Teilweise trauere ich ihnen auch nach, wenn sie nicht mehr nutzbar sind. Nüchtern betrachtet ist es aber so, dass sich fast alles ersetzen oder wiederbeschaffen lässt, wenn man es verliert oder es kaputtgeht. Die Frage ist vermutlich eher, was davon notwendig und wirklich, wirklich wichtig ist. Wenn ich mich in unserer Wohnung umschaue, muss ich zugeben, dass wir sehr viel Potenzial zum Reduzieren haben. Ein Leben ganz ohne meine Dinge, das kann ich mir nicht vorstellen. Weniger Dinge, das wäre eine Option.
Ist weniger mehr?
Ich bin da irgendwie zwiegespalten. Beispiel Klamotten: Im Urlaub stelle ich fest, wie schön und einfach es sein kann, wenig zu haben. Zurück zu Hause bin ich begeistert von der Vielfalt und Auswahl in meinem Kleiderschrank. Wobei mich die Auswahl manchmal auch etwas überfordert. Da sind ja sooo viele schöne Sachen drin …
Minimalisten kommen mit sehr wenig Dingen aus und ich bewundere sie insgeheim. Die Minimalisten, die ich kenne, scheinen glücklich zu sein und strahlen eine innere Zufriedenheit aus. Allerdings kenne ich keine persönlich und weiß daher nicht, ob die das nur online so verkaufen oder ob das wirklich so ist. Oder vielleicht nur tageweise und sie an anderen Tagen in einen Kaufrausch verfallen. So oder so ist das gefühlt für mich nichts. Denn ich konsumiere gerne. Möglichst bewusst und nachhaltig, aber dennoch regelmäßig. Das heißt, dass ich eben auch viele Dinge besitze. Und das nicht erst seit oder nur wegen der Kinder – was ich ja als Ausrede nehmen könnte.
Reduzieren und ausmisten, das ist etwas, das ich mir gut vorstellen kann. Genaugenommen ist das sogar ein Wunsch von mir, bei dessen Umsetzung ich mich allerdings schwertue. Eine Mischung aus „das ist doch noch gut“, „das hat mal viel Geld gekostet“ und „das könnten wir noch brauchen“ blockiert mich dabei. Mein Mann hat keine Probleme damit, Sachen wegzuschmeißen und es sind aus Versehen auch schon mal Dinge im Müll gelandet, die nicht dort hätten landen sollen. Ich sehe einige Vorteile darin, weniger Dinge zu haben. Dadurch braucht man weniger Stauraum und Flächen, hat mehr Platz in den vorhandenen Räumen, muss weniger wegräumen, Putzen wäre einfacher und insgesamt wäre alles etwas übersichtlicher. Der Wunsch ist also da, wann werde ich wohl mal wieder Zeit und Motivation zum Ausmisten finden?
Note to myself: Auf mein Verhalten und meine Gefühle beim Ausmisten achten
Beim Schreiben dieses Artikels ist mir aufgefallen, dass ich ein Losslassen-Problem habe. Ich räume nicht gerne auf und ich schmeiße wirklich ungern Sachen weg. Kommt das eventuell von meinen Eltern und Großeltern? Zudem habe ich festgestellt, dass ich meist dann glücklich und zufrieden bin, wenn es mir gut geht und ich mich wohlfühle. Das ist oft draußen in der Natur – ohne viel Gedöns um mich herum. Oder mit Freunden in guter Gesellschaft, gerne mit leckerem Essen. Wobei ich da natürlich unterbewusst weiß, was ich besitze, dass ich ein schönes Zuhause habe und so. Daher nehme ich mir nun vor, meine Dinge mit anderen Augen zu betrachten und zu überprüfen, welche Gefühle ich mit ihnen verbinde. Was hält mich davon ab, gewisse Sachen auszusortieren? Ich nehme mir vor, ab jetzt jede Woche mindestens eine Sache wegzugeben. Entweder verkaufen, verschenken oder wegwerfen.
Das Glück liegt in uns, nicht in den Dingen. (Siddhartha Gaudama)
Liebe Ingrid, was für ein toller Artikel!
„Ich bin ja sehr für Nachhaltigkeit und plädiere dafür, bewusst zu konsumieren. Also nicht jeden Scheiss zu kaufen, aber auch nicht komplett auf alles zu verzichten.“ Genauso sehe ich es auch! Großartig formuliert!
Ich sehe mich auch ganz und gar nicht als Hardcore-Minimalistin, vielleicht sollte ich eher „Optimalismus“ verwenden. Die Dinge haben, die mich unterstützen und/oder Freude machen.
Ich glaube, im Grunde hat man ein gutes Gefühl, welche Sachen man nicht mehr braucht. Dennoch stehen oft Ängste im Weg, loszulassen.
Vielen Dank, dass du an meiner Blogparade teilgenommen hast.