Mein Elternhaus

Freitag Abend bin ich nach Hamburg zurück gekommen. Ich war mit meiner kleinen Tochter eine Woche bei meinen Eltern in Süddeutschland (ja, nur mit einem Kind, das andere war daheim beim Papa). Allerdings nicht um Urlaub zu machen, sondern um meinen Eltern zu helfen. Es war schwer für mich meine Eltern so zu sehen. So hilfsbedürftig und kraftlos. Vor allem meine Mutter, die früher richtig fit war, regelmäßig Fahrrad gefahren und geschwommen ist. Und nun ist sie teilweise inkontinent und füllt in 2 Wochen eine kleine Restmülltonne mit Windeln. Da habe ich mich (und dann natürlich meine Eltern) gefragt: Wie war das mit den Windeln eigentlich als ich ein Baby war?

Bildquelle: pixabay

Seit wann gibt es eigentlich Plastikwindeln in Deutschland?

Wegwerfwindeln wurden 1961 in den USA erfunden und in (West)Deutschland erst im Herbst 1973 eingeführt. Manche Eltern hatten zu der Zeit für ihr Baby noch das Stoffwindelzubehör des großen Geschwisterkindes. Wegwerfwindeln waren daher anfangs noch kein Standard, keine Selbstverständlichkeit und auch noch recht teuer. Es war nicht ungewöhnlich sein Kind mit Stoffwindeln zu wickeln (mit Mullwindeln und Windelnadel). Mit gezielten Kampagnen wurden von der Industrie die Vorzüge der Wegwerfwindel angepriesen. Stoffwindeln wurden als stinkende und unhygienische Monster dargestellt.

Meine Babyzeit

Im Gegensatz zu meiner großen Schwester, die noch mit Stoffwindeln gewickelt wurde, kamen meine Eltern bei mir schon in den Genuss, die für sie praktischen Wegwerfwindeln zu verwenden. Meine Eltern waren ganz angetan von der praktischen Erfindung, die „weniger geruchsintensiv und Waschmaschinen-schonend“ war (Zitat meines Vaters). Trocken wurde ich dann im Sommer im Alter von 3 Jahren, als (auf dem Weg in den Urlaub) die auf dem Dachgepäckträger des Autos festgemachten Windeln vor München auf der Autobahn Reißaus nahmen. Diese Windeln waren für mich und meine 1 Jahr jüngere Schwester bestimmt gewesen. Meine Eltern hatten keine Lust im Urlaub neue Windeln zu kaufen und ließen sie fortan bei meiner Schwester und mir einfach weg.

Wegwerfwindeln und der Beckenboden

Ein Gedanke, der mir in diesem Zusammenhang kam: können wir -gerade bei Mädchen- mit windelfrei den Beckenboden positiv beeinflussen oder trainieren? Oder anders rum gefragt: hat der ausschließliche Gebrauch von Wegwerfwindeln evtl. einen negativen Einfluss auf die zukünftige Kontrolle der Beckenbodenmuskulatur von Frauen? Und wie sieht es bei Jungs bzw. Männern aus? Kann die Verwendung von Plastikwindeln mit Super-Absorber-Kern eine spätere Inkontinenz begünstigen? Was ist zum Beispiel mit Frauen, die jung sind, noch keine Kinder bekommen haben und trotzdem inkontinent sind? Bei meiner Recherche habe ich darauf leider keine Studien oder Antworten gefunden.

Allgemein wird Beckenbodentraining als beste Vorbeugung empfohlen und kann – bei Frauen und Männern – auch eine geschwächte Muskulatur wieder stärken. Das geht allerdings nicht innerhalb von ein paar Wochen, sondern erfordert regelmäßiges (möglichst tägliches) Training. Man kann die Übungen unter professioneller Anleitung erlernen, zum Beispiel bei Volkshochschulen, Sportvereinen, Physiotherapeuten oder Hebammen.

Inkontinenz – was ist das?

Harninkontinenz wird umgangssprachlich auch „Blasenschwäche“ genannt. Es ist kein Thema, über das man gerne offen redet und das für die Betroffenen eine große Belastung werden kann. Gemeint ist die Unfähigkeit, Urin bewusst zurückzuhalten. Genau genommen betrifft diese „Schwäche“ aber nicht die Blase, sondern ihre trichterförmige Ausflussöffnung, die normalerweise durch zwei Muskelringe fest verschlossen ist. Die Harnblase ist nur „dicht“, solange die Kraft des Beckenbodens und der Schließmuskeln groß genug ist, dem Füllungsdruck der vollen Blase standzuhalten.

Die Illustration zeigt eine Belastungsblase im menschlichen Körper. | Bild: picture-alliance/dpa

Inkontinenz – woher kommt sie?

Nach einer Geburt ist Inkontinenz keine Seltenheit. Aber auch Gewicht, Krankheit oder Alter können eine Rolle spielen. Inkontinenz kann viele Ursachen haben:

Drei Funktionsstörungen - nach Prof. Dr. Seelbach-Göbel:
1. Störung der Blasenmuskulatur

In einigen Fällen zieht sich die Blasenmuskulatur spontan zusammen, ohne dass ein Harndrang vorliegt. Damit presst die Muskulatur Urin aus der Harnröhre. Ein überaktiver Blasenmuskel wird häufig auch als Reizblase oder als Dranginkontinenz bezeichnet. Das kann psychisch bedingt sein, muss es aber nicht. Im Extremfall ist ein normales Leben unmöglich, aufgrund des ständigen Drangs, auf die Toilette gehen zu müssen.

2. Störung des Verschlusssystems der Harnröhre

Das Signal "Bitte schließen!" wird zwar empfangen, kann aber nicht ausgeführt werden, weil der Schließmuskel nicht mehr kräftig genug ist. Das betrifft die Mehrzahl der inkontinenten Personen.

3. Störung des Nervensystems

Die Meldungen an das Gehirn oder die vom Gehirn kommenden Signale sind unterbrochen. Die Information, dass die Blase voll ist, kommt nicht im Bewusstsein an. Der Patient verspürt keinen Harndrang und die Blase läuft einfach über. Das kann z.B. bei Patienten mit Querschnittslähmung der Fall sein.

Wenn Inkontinenz plötzlich auftritt oder die Lebensqualität beeinträchtigt, so kann ein Besuch beim Gynäkologen oder Urologen (behandelt auch Frauen) helfen. Dieser forscht nach der Ursache. Nicht immer kann Inkontinenz geheilt werden, aber oft gemildert.

Des Weiteren habe ich Artikel darüber gefunden, dass gerade bei älteren Menschen mit Demenz oft Inkontinenz einhergeht. Besonders im fortgeschrittenen Stadium der Demenz verlieren die Betroffenen nach und nach die Kontrolle über ihre Körperfähigkeiten. Bei Demenz ist es schwer, die Inkontinenz wieder in den Griff zu bekommen.

Warum ist das so peinlich?

Es ist doch eigentlich nur ein Organ bzw. eine Muskelgruppe, die nicht reibungslos funktioniert. So wie bei anderen vielleicht die Bauchspeicheldrüse oder die Nieren. Eigentlich… Aber alles, was mit Ausscheidungen verbunden ist, ruft in unserer Kultur starke Scham hervor. Es hilft, sich das klarzumachen, ohne den Anspruch zu haben, das tief verwurzelte Gefühl mal eben zu überwinden. Man muss nicht mit jedem darüber sprechen, aber für viele ist es oft eine Erleichterung, wenn sie sich ein oder zwei Menschen anvertrauen können.

Was ist nun mit windelfrei bei Senioren?

In vielen Fällen können Frauen einer Inkontinenz vorbeugen, aber es gibt auch Fälle, in denen weder Training noch Medikamente mehr helfen. Was ich aber in der Gesellschaft seltsam finde ist, dass es bei Senioren als „unwürdig“ betrachtet wird, wenn diese Windeln tragen müssen und bei Babys gilt es als „normal“, „das gehört dazu“ oder sogar „fortschrittlich“. Verrückte Welt!

Ich hoffe, dass ich einen kleinen oder auch großen Beitrag zu weniger Windelkonsum leisten kann und vor allem Babys möglichst früh erfahren dürfen, wie es ist außerhalb einer Windel auszuscheiden. In diesem Sinne: Happy Windelfrei!

Wie sind deine Gedanken zu diesem Thema?

Quellen: 30 Jahre Pampers in Deutschland, Woher kommt die Inkontinenz?, Inkontinenz durch Demenz