Windelfrei bezieht sich auf die Praxis, Säuglinge und Kleinkinder auf eine Toilette, ein Töpfchen oder eine geeignete Stelle zu bringen, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, anstatt Windeln zu verwenden. Windeln werden dabei oft als hilfreiche Ergänzung im Alltag verwendet. Windelfrei ist auch bekannt als „Elimination Communication“, „Ohne Windeln“ oder „Abhalten“.
Als Windelfrei-Coach kenne ich die zahlreichen Vorteile von Windelfrei. Natürlich weiß ich auch, welche Nachteile es gibt. Beides erkläre ich den Teilnehmern meiner Kurse und beschreibe es nun auch in diesem Blogartikel.
Vorteile von Windelfrei
Umweltfreundlichkeit
Wegwerfwindeln belasten die Umwelt und brauchen sehr lange, um abgebaut zu werden (ungefähr 300 – 500 Jahre). Weil die Ausscheidungen des Kindes im Töpfchen oder der Toilette landen, brauchen die Eltern weniger Hilfsmittel wie z.B. Feuchttücher, um ihr Baby sauberzumachen. Windelfrei kann also dazu beitragen, Müll zu reduzieren und Ressourcen zu schonen.
Gute Bindung
Windelfrei erfordert eine enge Beziehung und Kommunikation zwischen dem Kind und dem Elternteil. Dies kann dazu beitragen, die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stärken.
Kosten
Da weniger oder vielleicht sogar keine Windeln gekauft werden müssen, können Eltern viel Geld sparen. Auch das Verwenden von Stoffwindeln ist eine gute, kostensparende Alternative. Bei Windelfrei bleibt die Windel auch mal trocken, sodass weniger (Stoff)Windeln benötigt und gewaschen werden müssen. Stoffwindeln kannst du zudem gebraucht kaufen und auch wieder verkaufen.
Zeitersparnis
Meine Hebamme sagte mal, dass Windelfrei etwas für Faule sei. Weil es insgesamt Zeit spart. Baby weniger sauber machen, weniger dreckige Windeln entsorgen oder reinigen und später kein Töpfchentraining mit dem Kleinkind absolvieren. Kleine Einschränkung meinerseits: anfangs ist es etwas mehr Zeitaufwand, weil kleine Babys noch häufiger pinkeln und die Eltern sich an Windelfrei gewöhnen müssen. Allerdings haben die meisten Eltern gerade am Anfang noch mehr Zeit und Geduld mit ihren Kleinen und nutzen ihre Elternzeit, um Windelfrei auszuprobieren.
Natürliches Lernfenster
Windelfrei ist kein Töpfchentraining, sondern das Eingehen auf das natürliche Ausscheidungsbedürfnis eines Kindes. Babys signalisieren ab Geburt, wenn sie mal müssen. Wir Erwachsenen kennen nur die Zeichen dafür oft nicht. Wie beim Essen sind Babys auch beim Ausscheiden noch auf unsere Hilfe angewiesen und wir können sie dabei unterstützen. Wenn dies bereits in den ersten Lebensmonaten geschieht, können wir dabei das natürliche Lernfenster des Kindes nutzen.
Körperbewusstsein
Durch Windelfrei wird das Körperbewusstsein des Babys gefördert und erhalten. Das Wahrnehmen und Beantworten dieses Grundbedürfnisses (Ausscheiden) führt oft zu einer besonderen Zufriedenheit des Babys. Viele Eltern möchten auch nicht, dass ihr Kind in seinen eigenen Ausscheidungen liegt, weil sie sich gut vorstellen können, dass dies sehr unangenehm ist.
Frühzeitiges Trockenwerden
Dies ist ein positiver Nebeneffekt, der häufig beobachtet wird. Da das Kind von Anfang an auf die Toilette oder das Töpfchen gebracht wird, lernt es schneller, seine Bedürfnisse zu kommunizieren und zu kontrollieren und früher sauber zu werden. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass kein Töpfchentraining zwischen 2 und 5 Jahren nötig ist, wenn das Kind keine Lust darauf oder andere Interessen hat.
Gesundheit und Prävention
Da bei Windelfrei das Baby selten oder gar nicht in seinen Ausscheidungen liegt, kommt es sehr selten zu Windeldermatitis. Auch das Risiko von Blasen- und Pilzinfektionen wird minimiert. Windelfrei kann den Eltern beim Erkennen von Nahrungsunverträglichkeiten ihres Kindes helfen. Des Weiteren werden bei Windelfrei-Kindern weniger Koliken beobachtet bzw. sie sind durch das Abhalten weniger unruhig. Die Abhalteposition unterstützt das Abgehen von Winden. Ein weiterer Punkt ist, dass Windelfrei als Vorbeugung von Bettnässen (Enuresis) angesehen wird. Und auch bei Nabelbruch kann Windelfrei von Vorteil sein – ich kenne einen Fall, bei dem dadurch die Operation vermieden werden konnte.
Nachteile von Windelfrei
Zeit und Aufwand
Windelfrei erfordert anfangs viel Zeit und Aufmerksamkeit von den Eltern, da sie mehr auf ihr Kind achten, um seinen Rhythmus und seine Signale kennenzulernen und um es auf die Toilette zu bringen. Dies kann schwierig sein, wenn die Eltern berufstätig sind.
Soziale Normen
Windelfrei kann von anderen Menschen als ungewöhnlich oder seltsam angesehen werden. Eltern, die sich für Windelfrei entscheiden, müssen bereit sein, mit Fragen und Kritik von anderen umzugehen. Diese Zweifel an Windelfrei können auch von den eigenen Eltern, von Freunden oder Nachbarn kommen. Die Bereitschaft, es anders zu machen, erfordert daher etwas Mut.
Keine Garantie für Trockenheit
Obwohl Windelfrei dazu beitragen kann, die Zeit zu verkürzen, die das Kind Windeln trägt, gibt es keine Garantie, dass das Kind frühzeitig trocken wird oder keine Windeln mehr benötigt.
Perfektionismus
Windelfrei ist ungeeignet für Eltern, die 100% Perfektionismus à la „ganz oder gar nicht“ anstreben. Es gibt beim Abhalten gute und nicht so gute Tage und Phasen, in denen es weniger oder gar nicht klappt. Das bedeutet, dass auch mal etwas daneben geht.
Alleine auf weiter Flur
Es kann sein, dass du dich wie ein Alien oder irgendwie alleine fühlst, weil in deinem Umfeld niemand windelfrei macht, geschweige denn kennt.
Keine Garantie für zufriedene Babys
Bei vielen Babys führt das Abhalten zu mehr Zufriedenheit, weil ihr Ausscheidungsbedürfnis erfüllt wird und die Abhalteposition bei Blähungen den Abgang erleichtert. Bei Schreibabys kann Windelfrei zwar auch etwas helfen, aber die Ursache für das Schreien liegt in diesen Fällen oft woanders und erfordert weitere Maßnahmen. Eventuell hilft es beispielsweise die Geburt aufzuarbeiten oder einen Osteopathen zu konsultieren.
Hinterfragen des „Normalen“
Eltern, die Windelfrei praktizieren, hinterfragen oft die klassischen „so macht man das mit Baby“-Sachen. Auch die Windel-Industrie und Werbung wird mit anderen Augen gesehen. Viele Windelfrei-Eltern erkennen bei fremden Babys, wenn diese mal müssen und finden es doof, dass Windelfrei nicht weiter verbreitet ist und mehr Familien ihre Kinder abhalten.
Fazit: Ausprobieren
Meiner Meinung nach überwiegen klar die Vorteile. Die Punkte Umwelt, Kosten und Bindung sind die meistgenannten Motivationsgründe meiner Kursteilnehmer. Wobei ich auch den Gesundheitsaspekt sehr bedeutend finde.
Es ist wichtig zu beachten, dass Windelfrei nicht für jeden Elternteil oder jedes Kind geeignet ist. Es ist eine persönliche Entscheidung, die auf den Bedürfnissen und Lebensumständen der Familie basieren sollte.
Ich war selber skeptisch, bevor ich Windelfrei mit meinen Kindern gemacht habe. Das Probieren hat sich gelohnt, daher empfehle ich es auch dir. Wenn es nicht klappt, kannst du immer noch ganz oder teilweise zu Windeln greifen.
Falls du weitere Informationen oder Hilfe bei der Umsetzung benötigst, so komm gerne in einen meiner Kurse oder buche eine Einzelberatung. Die Termine für meine Kurse stehen auf der Startseite meiner Website unten bei „Geplante Veranstaltungen“.
Ein toller Artikel liebe Ingrid! Würde ich noch als Hebamme arbeiten, dann würde ich den Link zu diesen Artikel regelmäßig weitergeben.
Liebe Nilufar,
danke für das Lob. Das ist eine gute Idee, diesen Artikel an Hebammen weiterzugeben.
Herzliche Grüße
Ingrid